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Aus dem Leben des Franz Kaufmann

Franz Kaufmann
Franz Kaufmann
geboren 22. Oktober 1922
gestorben 3. August 2021

Vorwort
Im Rahmen meiner Maturaarbeit im Jahr 2021 habe ich mich dafür entschieden, das Leben meines Grossvaters Franz Kaufmann in einem Buch zusammenzufassen. Damit nahm ich mir gewiss viel vor, aber ich freute mich dennoch sehr auf die Arbeit. Ich interessierte mich schon immer für sein Leben und vor allem für seine Kindheit, welche uns in die Zeit anfangs des 20. Jahrhundert zurückversetzt. Lassen wir ihn also erzählen!

Meine Eltern im und nach dem ersten Weltkrieg

1888 kam mein Vater Albert Kaufmann in Mumpf zur Welt und 1884 meine Mutter Hedwig Güntert, ebenso in Mumpf.

1914 geschah für die Schweiz etwas Unerwartetes, der erste Weltkrieg brach aus. Der Bundesrat musste deshalb vom Parlament eine ausserordentliche Versammlung tätigen. Dazumal war Giuseppe Motta Bundespräsident. Er führte die Bundesratssitzungen, an welchen der Bundesrat 1914 die Mobilmachung beschloss. Der Entscheid einer Mobilmachung des Militärs war unumgänglich. Alle Soldaten waren gezwungen einzurücken. Mit der Mobilmachung verloren die Frauen zu Hause ihre Männer und mussten sich um alles alleine kümmern. Sie hatten die Aufgabe neben dem Haushalt auf die Kinder zu schauen, sowie die Stallarbeiten und das Heuen zu erledigen. Es gab noch keine Läden in den Dörfern, man konnte dafür immer aus dem Garten nehmen, was man gerade ernten konnte.

Die Männer, darunter auch sein Vater, durften nach dem Kriegsende 1918 endlich wieder nach Hause. So gab es 1919 eine Überraschung und die kleine Marie kam zur Welt.

Marie, meine Schwester, wuchs sehr gut heran und brachte viel Freude.

image002Elternhaus von Franz Kaufmann

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Meine Eltern führten unten im Haus einen kleinen Spezereiladen, welcher wiederum von den Eltern väterlicherseits seine Herkunft hat. Sie hiess Handlung Kaufmann-Güntert.

In dem Laden konnte man Mehl, Zucker, Kaffee und elementare Lebensmittel kaufen, aber auch Petrol in Flaschen. Petrol wurde angeboten, da man noch nicht überall elektrisches Licht hatte, sondern nur in der Küche und im Wohnzimmer. Im restlichen Haus musste man mit der Petrollampe leuchten. Das Petrol kaufte man in Behältern, damit man die Lampe zu Hause auffüllen konnte. Man brauchte Petrol auch hauptsächlich noch für den Stall und in der Scheune. Strom gab es schon, aber kein Geld für die Kabel!

Mein Vater war Bauer. Sie waren vier Brüder, drei von ihnen waren Bauern und der Kleinste namens Otti hatte das Kaufmännische gelernt. Wenn die Männer neben dem Bauernbetrieb etwas arbeiten wollten, konnten sie als Taglöhner tätig sein. Taglöhner konnte man rufen, wenn man Arbeit für sie hatte, sie bekamen dann einfach den Lohn, waren aber nicht versichert. Sie hatten auch noch keine AHV oder Lohnversicherung, da es diese noch gar nicht gab, aber man war froh, wenn man Arbeit fand. So arbeitete auch mein Vater. Er lernte den Beruf als Schreiner zwar nicht, aber er beherrschte das Fach und führte es auch gut aus. Zwischen Möhlin und Rheinfelden wurde dann eine Werkstatt eingerichtet für die Reparatur von Eisenbahnwagen. Die Firma hiess „Schindler und Meier Eisenbahnwagen“ und mein Vater konnte dort arbeiten gehen. Daraufhin schrieben sie die Stelle nie wieder aus, da er gut arbeitete, etwas konnte und deshalb fest angestellt wurde. So arbeitete er dann dort bis zur Pensionierung, bis er 65 Jahre alt war. Das Einzige, was es sonst noch an Industrie im Fricktal gab, war das Ziegelwerk in Frick, die Saline und das Feldschlösschen in Rheinfelden.

Meine Mutter wuchs in einem Bauernbetrieb auf und als sie aus der Schule kam, musste sie schauen, dass sie irgendwo arbeiten konnte. In Bad Säckingen gab es eine Fabrik, in der sie Stoff herstellten. Dann konnte sie zuerst die Arbeit erlernen und dort arbeiten. Das war ihr Verdienst dazumal. Es gingen sehr viele Frauen, sogar von Zuzgen und von der ganzen Umgebung, in diese Fabrik arbeiten. Sie liefen über den Berg und bis zur Fähre nach Mumpf, um nach Bad Säckingen zu kommen. (Anmerkung: Das war doch ein Fussweg von zweieinhalb Stunden hin und zurück, was in dieser Zeit elf Kilometer und 250 Höhenmeter Steigung bedeutete.)

Am Abend um fünf Uhr gingen sie dann wieder nach Hause. Später führte die Mutter neben dem Haushalt noch den Spezereiladen. Die verheirateten Frauen waren zu dieser Zeit alle Hausfrauen.

Marie wurde grösser und fing auch an, in der Küche zu helfen. Man kochte auf einem Feuerherd. Sobald man mit dem Kochen begann, machte man das Feuer grösser und im Wohnzimmer wärmte es automatisch die „Chaust“. Diese war doppelstöckig, es gab eine obere und eine untere Ofenkunst. Mein Vater legte sich immer auf die Untere, Marie und später dann ich auf die Obere. Dabei haben wir unsern Vater von oben gekitzelt. Das war ein Gaudi.

Dank dieser Chaust war es auch im Gang und im ganzen Haus warm, man fror nie. Speziell auch im Winter, wo es kalt war und es Schnee hatte. Das Haus war zuerst ein Riegelhaus, also nur aus Holz, und dann machte man einen Verputz darüber. Es gab noch keine Gerüste, sondern nur solche Amateurgerüste. Also mussten unten immer zwei stehen und das Gerüst festhalten und befestigen. Dann wurde der Zement in „Büttenen“ hochgetragen und oben in „Gelten“ umgekippt. Nachher konnte man Zement daraus nehmen und damit die Wand verputzen.
Das war noch Handarbeit. Wie in der Waschküche auch. Eine Waschmaschine gab es noch nicht. Wir hatten eine Badewanne, also es war keine Badewanne, wie wir sie heute kennen, sondern eine grosse Blechwanne. Wir hatten auch nicht wirklich ein Badezimmer, sondern nur eine Toilette mit einem „Brünneli“. Die Badewanne war unten im Waschraum. In diese machten wir auch die Hemden und Hosen, die zu waschen waren und füllten sie mit Wasser auf. Dann gab die Mutter etwas Persil dazu und stocherte mit einem Saugnapf darin herum. Zusätzlich hatten wir auch eine grosse Wanne auf einem Bock mit einem Waschbrett darauf. Dort wusch meine Mutter auch des Öfteren. Es gab aber auch Familien, die keines der beiden hatten und diese wuschen im Fischingerbach, unten bei der Fähre.

Wir hatten sogar einen Herd. Zuerst einen, der nicht richtig funktionierte. Dann meinte mein Vater, entweder haben wir einen Richtigen oder gar keinen. Also schauten wir für einen neuen Herd, welchen wir dann bei der Firma Geiser und Kompanie Langenthal kauften.

Der neue Holzherd hatte einen eingebauten Wasserspeicher. Diesen konnte man mit Wasser füllen, welches dann warm wurde. Von dort aus machte mein Vater eine Leitung, die heute noch im Elternhaus ist, bei der man warmes Wasser rauslassen konnte. Sobald es in dem Behälter sprudelte, wusste man, dass das Wasser warm war, dann konnten wir alle in der Badewanne baden.

Franz kommt auf die Welt
Dann kam ich am 22. Oktober 1922 in Mumpf auf die Welt. Ich wuchs ebenso in der Familie auf und merkte schnell, dass ich es bei meinem Grossvater, der nebenan wohnte, auch sehr schön hatte. Der Grossvater hatte einen etwas dunkleren Hauttyp, wie ich heute auch, er hatte lockige Haare, immerzu eine Pfeife im Mund und glich so einem Italiener. Er erzählte mir Geschichten und spielte mit mir. Er hatte selber schon vier Söhne und freute sich extrem über seinen Enkel. Ich war sein Ein und Alles.

Wenn meine Mutter mich manchmal suchte, wusste sie immer, dass ich bei Grossvater war. Auch mit Marie hatte ich es sehr gut. Wir beide verstanden uns prächtig und halfen uns gegenseitig. Natürlich flogen auch hin und wieder die „Fätzen“, wie das halt so ist bei Geschwistern, aber alles in allem waren wir beste Freunde und immer für einander da.
image004Marie im Hintergrund und Franz vorne.

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Am Abend nach dem Nachtessen mussten Marie und ich immer den Abwasch machen. Entweder wusch Marie das Geschirr und ich trocknete ab oder umgekehrt. Die Mutter musste am Abend gelegentlich nochmal in den Laden, da gab es mit denen meistens noch Gespräche. Auch am Samstag mussten wir manchmal der Mutter helfen, da viele Leute zum Einkaufen und für einen Schwatz vorbeikamen. Entweder Marie oder ich musste die Treppe spänen oder das Wohnzimmer putzen. So teilten wir uns die Arbeit auf und wechselten uns ab.

Damit es im Laden auch genug Material hatte, kamen unter der Woche immer sogenannte Handelsreisende. Diese wollten ihr Material an den Laden verkaufen. Es kamen meistens dieselben drei Reisenden. Sie boten Zucker, Mehl, Eier und so weiter an und machten so auch Werbung für ihr Geschäft. Wenn dann Marie oder ich gerade unten waren, bekamen wir manchmal ein Stück Schokolade.

Zum Beispiel Herr Ärni kam von Aarau, er verkaufte uns meistens Zucker und Mehl. Dann kam ein anderer von Basel, dieser hatte nur Eier. Er verhalf mir später auch an meine Lehrstelle in Basel zu kommen. Dann kam einer der hiess Herr Bollak, er verkaufte dem Laden Kleider. Von diesem kaufte die Mutter manchmal ein paar Kleidungsstücke ab, wie Jupes und Blusen. Nach der Bestellung schickten die Geschäfte der Reisenden die Ware ab und nach etwa acht Tagen bekamen wir einen Zettel vom Bahnhof, dass die Ware angekommen ist. Diese Ware musste man dann am Bahnhof abholen. Es gab noch keine Lastwagen. Mein Vater hatte dann eine Idee. Er meinte, wir haben ein kleines „Brütschenwägeli“ und könnten uns doch noch einen Hund anschaffen. Er wollte einen echten Bernhardiner mit einem Geschirr. Als wir diesen dann bekamen, spannten wir den Hund manchmal an den Wagen und liefen mit ihm zum Bahnhof. Der Bahnhof-Aufgang war nicht wie er jetzt ist, sondern man musste fast bis nach Wallbach auf der Landstrasse gehen. Dort wo rechts der Abzweiger nach Wallbach war, bog man links zum Bahnhof ab. Das war gelegentlich die Aufgabe von Marie und mir. Manchmal mussten wir aber auch beim Grossvater nebenan beim Heuen helfen. Man musste immer demjenigen helfen, der gerade Arbeit hatte.

image006Bald ist das Fuder geladen.
image007Pause für Vater Albert, Franz, Marie ...
image008...und Mutter Hedwig.
 
Die Strasse vor unserm Haus hatte bis 1925 „Bsetzistei“, von Basel bis nach Brugg. 1926 wurde sie dann von Mumpf bis nach Möhlin geteert. Als die Strasse dann frisch gemacht war, spielte ich einmal am Abend mit Heidi in der Bäckerei gegenüber. Heidi war die Tochter des Bäckers und wir sassen immer zusammen. Als meine Mutter mich dann zum Abendessen rief, sprang ich über die Strasse und blieb am Teer hängen. So schlug ich mir die Zähne aus. Der Nachbar vom Hotel Sonne hatte ein Auto und brachte mich nach Bad Säckingen zum Zahnarzt Frommherz. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich in einen Schlaf versetzt wurde. Es wurde mir erzählt, dass sie mich nicht mehr aufwecken konnten. Im Gang gab es einen Teppich und auf diesem rollten sie mich dann hin und her, bis ich wieder aufwachte!
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1929 wurde ich eingeschult und darauf freute ich mich riesig. Im ersten halben Jahr, als ich in die Schule kam, gab es erst einen Lehrer, der alle Klassen von der ersten bis zur achten unterrichtete. Nach diesem Semester gab es dann noch einen neuen Lehrer und somit teilten sie sich die Klassen auf. Der eine hatte die erste bis zur vierten Klasse und der andere die fünfte bis zur achten Klasse. Ich war zufrieden mit der Schule und ging sehr gerne hin. Natürlich gab es auch Fächer, die mir nicht so gefielen, aber zum Beispiel Geometrie und Geografie mochte ich sehr. Im Herbst hatten wir vier Wochen Ferien, weil wir während dem Sommer nur zwei Wochen hatten und auch das nur, wenn es schönes Wetter war. Die vier Woche Herbstferien waren reserviert für die Ernte der Kartoffeln und der „Durlipse“. (Anmerkung: Die Fricktaler sagen der Runkelrübe „Durlips“).

Alle Kinder halfen bei den Bauern, ich meinem Grossvater. Wenn wir dann nach diesen vier Wochen wieder in die Schule kamen, mussten wir am ersten Tag in die Kirche.

Wir hatten immer am Morgen bis um elf Uhr Schule, dann war Mittagspause und um ein Uhr ging es wieder weiter. Im Winter arbeiteten die Väter immer im Wald, meistens bei der Schönegg oder bei der Mumpfer Fluh, da man viel Holz brauchte zum Heizen und Kochen. Also mussten Marie und ich ihnen immer um elf Uhr das Mittagessen bringen. Wir kamen von der Schule nach Hause und holten die Kessel mit feiner Suppe bei der Mutter ab. Diese mussten wir den Vätern auf die Schönegg bringen. Die Schönegg ist ein Hotel am Fuss vom Chriesiberg. Es gab noch zwei Nachbarn, welche keine Kinder hatten, also brachten wir diesen das Mittagessen auch noch. Die Männer wollten die Militärgamellen, damit man die Suppe auf das Feuer stellen konnte und diese warm blieb. So hatten sie um 12 Uhr immer warmes Essen. Wir assen dann nachher, als wir wieder zu Hause ankamen.

Es war eine rechte Strecke von Daheim bis zur Schönegg hinauf, aber mit Marie war es immer kurzweilig. Für die zwei Kilometer benötigten wir eine halbe Stunde.

Allgemein war die Kindheit mit Marie sehr schön. Wir mussten zwar viel helfen, aber wurden manchmal auch belohnt. Wenn die Mutter Stoff brauchte, holte sie den immer zu Fuss in Wallbach bei Frau Herzog, in der Roten Gasse ab. Wenn man brav war, durfte man mitgehen! Also durften Marie und ich sie manchmal begleiten. Des Öfteren liefen wir anschliessend beim Laden von Anni vorbei. Anni war eine gute Freundin der Mutter. Wir bekamen dann immer ein Schoggi-Stängeli von ihr. Anni kam zu der Zeit, als Wallbach keine Kirche hatte, immer nach Mumpf zu uns in die Kirche. Nach der Messe kam sie dann manchmal herüber, um mit meiner Mutter zu reden und wir umgekehrt auch, wenn wir in Wallbach waren.

Es gab am Dienstag und am Freitag immer die Schülermesse. Am Sonntagmorgen um sieben Uhr war die Frühmesse und um neun Uhr war sogenanntes Amt. In die Frühmesse gingen meistens nur die Frauen, da sie nachher das Mittagessen kochten. Ich ging immer mit der Schule um neun Uhr in die Kirche. Die erste und die zweite Klasse durfte in der ersten Bank sitzen und dann die dritte und vierte und so weiter bis zur achten. Die Frauen sassen auf der linken Seite der Kirche und die Männer auf der rechten. Man durfte noch nicht gemischt sitzen wie heute. Die Pfarrer hatten damals noch ihre Köchinnen. Als die Männer dann vom Gottesdienst nach Hause kamen, stand ein leckeres Mittagessen bereit. Zum Beispiel Gemüsesuppe und ein feiner Braten oder ein Hase mit Kartoffelpüree. So hatte man die Familie beisammen. Es gab noch keinen Fernseher und selten einen Radio.

Aber es gab Spiele. So spielte man den ganzen Sonntagnachmittag „Eile mit Weile“, „Nünistei“, „Chettenespiel“ und so weiter und so wurde es nicht langweilig. Als wir älter waren, fingen wir auch an mit Jassen, weil unser Vater immer Jassen ging. Am Abend nach dem Nachtessen spielte man noch bis um zehn Uhr, dies aber mehr im Winter. Im Sommer hat man immer draussen gespielt, bis es dunkel wurde, dann mussten wir ins Bett. Von der Küche aus kam man durch eine Tür ins erste Schlafzimmer und wenn man weiter lief in zwei weitere Schlafzimmer. Das eine gehörte mir und das andere Marie. Ich hatte das mit Fenster, weil das Marie nicht wollte. Sie hatte im Zimmer mit den Fenstern Angst. Unsere Mutter brachte uns immer ins Bett und kam später noch vorbei, um „Gute Nacht“ zu sagen. Als wir kleiner waren, sang sie uns vor: „Bimlet s’Glöggli, Bimblet s’Glöggli, de Tag isch vergange und jetzt gang i ins Bett.“

Am Morgen wurden wir um sechs Uhr geweckt und dann assen wir Frühstück. Da hatte die Mutter schon alles eingerichtet und angefeuert. Dazu benötigte sie Zeitungen und feine Holzspäne. Nach dem Frühstück wusch man sich und putzte die Zähne, dann konnte man in die Schule gehen. Die Schule lag ja gleich neben unserem Haus. Oft rief uns Mutter in der Pause und steckte uns ein kleines „Schöggeli“ zu.

Wenn wir Buben nicht wussten, was machen, spielten wir am Wasser. Wir spielten hauptsächlich am Rhein und auch am Fischingerbach. Dort bauten wir Brücken und schnappten uns hie und da eine Forelle. Wir bauten auch kleine Schiffe und liessen die dann schwimmen. Der Fischingerbach kommt von Schupfart, vom Tierstein herab und teilte sich beim Wasserfall in der Bachtale in zwei Teile. Der obere Teil floss als kleines „Bächli“ weiter. Der untere Teil fliesst als Fischingerbach in den Rhein. Wenn wir die Schulgasse, die Strasse neben unserem Haus, manchmal wischten, übernahm ich die eine Seite bis in die Hälfte und die Leute von der Post nebenan die andere Hälfte. Den Abfall, welcher entstand, entsorgten wir dann in den Bach, welcher zum Rhein ging. Als es das nächste Mal regnete wurde dann alles weggeschwemmt.

Das Leben im Dorf
Das kleine „Bächli“ floss durch das Dorf, was heute noch so ist, aber einfach in den Dohlen. Es ging zuerst durch die Mühle. Oberhalb von Mumpf gab es eine riesige Mühle. Sie hatten zwei Arbeiter und zwei Haflinger Pferde, mit denen sie manchmal zum Bahnhof gingen und Ware abholten. Diese Mühle gab es bis in die 50er Jahre.

Auch die Sägerei Mumpf wurde von dem Bächli über ein Wasserrad bedient. Die Sägerei gehörte dem Bruder meines Schwiegervaters, welcher auch der Götti von Hildegard, meiner späteren Frau, war. Die Sägerei verholzte die Bäume aus dem Wald und schreinerte gewisse Sachen. Mein Vater machte damals selber schöne Holzleitern mit sogar vierzig „Zeigeln“. Das war die grösste Leiter, die man an einen Baum stellte. Er machte diese Leitern hinter dem Haus, wenn das Wetter schön war. Er musste schauen, dass die Löcher auf beiden Seiten aufeinander stimmen, dass die Zeigel hineingehen. So machte er den Bauern Leitern. Sie bestellten beim „Bärti“ eine „Zwänzger“- oder eine „Drissgerleiter“.

Das war dann Holz, welches man aus der Sägerei holte. Das Holz für die Leitern musste stabil sein, meistens Buchen- oder Akazienholz. So verdiente er manchmal noch Geld dazu, viel war es natürlich nicht. Er musste zuerst das Material einkaufen und dann kamen noch die vielen Stunden dazu, das zählte sich am Schluss dann nicht so. Aber er machte es gerne hinter dem Haus. Hie und da schaute jemand zu und da entstand auch oft eine Plauderei.

Bei der Sägerei holten wir vor dem Metzgen Sägemehl zum Feuern. Sägemehl ist gut, weil kein Rauch entsteht und die Glut lange anhält.

Die Sägerei lieferte auch viel Holz für den Bootsbau in Mumpf. Das Geschäft machte nicht nur Weidlinge und Pontos für die Pontoniere, sondern auch Fährschiffe aus reinem Holz. Früher war dort die Flösserei. An die ankommenden Flosse mag ich mich noch gut erinnern.

Die Flösser brachten und holten Ware. Sie sind dann beim Fähristeg eingefahren, bis sie auf den Grund aufgelaufen sind. Die Flosse waren aus Balken zusammengebunden und ziemlich gross.

Dann kamen langsam die Weidlinge und Fährschiffe auf. Diese wurden alle in Mumpf gebaut, mein Vater ging auch des Öfteren mithelfen. Das Haus, in welchem sie die Schiffe herstellten, steht immer noch. Die Pontos wurden aus drei Teilen und massivem Holz der Sägerei zusammengesetzt. Verkauft wurden sie bis nach Birsfelden und Basel. So waren alle Fähren, die in Basel auf dem Rhein verkehrten, aus Mumpf.

Es gab eine Bäckerei in Mumpf. Dieser Bäcker machte unter der Woche nur Brot. Am Wochenende backte er zusätzlich feine Gipfeli und Schnecken. Von den „Schnecken“ schwärme ich immer noch! Sie waren viel grösser als heute, kosteten aber nur 25 Rappen. Doch auch die 25 Rappen musste man haben!


Wenn man Richtung Obermumpf geht ist linkerhand der vorhin schon erwähnte Bachweiher «Bachtale», bei welchem sich der Fischingerbach teilt. Dieser Weiher gehörte der Gemeinde Mumpf und er wurde immer verpachtet an den Sonnenwirt. Er setzte Fische aus, stellte einen Weidling zur Verfügung, damit die Kurgäste Fische fangen konnten.

Wenn man bei der Obermumpferstrasse unter der Bahnunterführung durchging, kam man über eine grosse Brücke, die heute nicht mehr existiert und erreichte dann die Sandgrube. Diese hatte eine grosse Bedeutung für das Fricktal, da es in Frick eine Ziegelfabrik gab, die den Sand benötigte. Die Bauern hatten extra Wagen, bei denen man auch das Pferd anspannen konnte, um mit dem roten Sand nach Frick zu fahren. Es war ein besonderer roter Sand, der für spezielle Ziegel gebraucht wurde. Oben an dieser Sandgrube, war der Scheibenstand für die Schützen. Auf diese Scheiben wurde von der anderen Seite her auf dem Kapf, wo das Schützenhaus stand, geschossen. So konnte ich am Samstag oder Sonntag dort manchmal diese Scheiben aufstellen gehen und damit einen „Batzen“ verdienen.

image010Am Sonntagnachmittag vor dem Hauseingang.
Im Dorf gab es zu dieser Zeit gerade mal einmal einen einzigen Zuzüger namens Herr Ritter, der die Mühle übernahm. Das Dorf war katholisch und durch ihn bekamen wir einen Reformierten. Er wurde sogar für zwei Perioden in den Gemeinderat gewählt. Folge dessen war er ein Rechter, da Mumpf ein konservatives Dorf war und er sonst nicht gewählt worden wäre.

Im Winter entstanden immer schöne Schlittenpartien vom Zuzgerjoch herunter, bis zu der „Sonne“ an der Hauptstrasse. Wir konnten sogar über die Strasse fahren, da man die Autos, die wenigen die es gab, hätte kommen sehen. Autos gab es nicht sehr viele im Dorf. Genaugenommen drei. Der Vieh-Händler, der Sonnenwirt und der Mühlenbesitzer hatten eines. In Wallbach gab es nur zwei. Dort hatten der Pintenwirt und Herr Schönmann ein Auto.

Zu Hause hatten wir einen Schweinestall mit zwei Schweinen. Und dann noch Hühner und Hasen. Wir sind armselig aufgewachsen, doch es war eine schöne Zeit. Das Schönste war, wenn der Grossvater draussen war und „dängelet het“. Dängele heisst, dass die „Sägese“, die Sense geschliffen wird. Dies hat er immer vor dem Haus gemacht und ich sass daneben.

Gegenüber von meinem Elternhaus stand ein grosses Hotel, die Sonne. Schon ab 1855, als die Flösserei zurückging, kamen Mumpfer Wirte auf die Idee, Solbäder anzubieten, zuerst im Anker, dann in der Sonne und schliesslich auch auf der Schönegg. Dadurch wurde Mumpf zu einem Blütendorf. Es kamen jeden Sommer viele Kurgäste, im Durchschnitt sechzig bis siebzig an der Zahl. Es waren meist Schweizer, selten Ausländer, so konnte man mit allen sprechen. Es kamen manchmal auch Kurgäste zum Grossvater nebenan, wenn er vor dem Haus sass und liessen sich Geschichten erzählen. Er erzählte ebenso gerne wie ich es heute tue. Alle Kurgäste hatten Freude an ihm und seinen alten Geschichten.

Ich denke, dass von da her ein wenig die „Feindlichkeit’’ kommt, welche zwischen Wallbach und Mumpf herrscht. Man könnte es auch einfach den normalen Dorfrivalitäten unterordnen, zumindest heute. Aber früher basierte der kleine Dorfstreit sicherlich auf Neid. In Wallbach gab es viel längere Zeit noch ausschliesslich Bauern und das Dorf war ein reines Bauerndorf, das viel weniger gepflegt wurde wie Mumpf. In Mumpf hingegen wurden die Strassen herausgeputzt, auf den Brunnen wurden schöne Blumen platziert und es gab sogar Anordnungen, welche besagten, dass die Miststöcke viereckig sein mussten. So konnte ein einheitliches Dorfbild entstehen. Auch das Abwasser, das noch offen auf dem Naturweg lief, wurde dann unterirdisch abgeleitet, da viele Kurgäste durch das Dorf spazierten. Am Mittwoch hatten wir in der Schule immer eine Stunde lang Singen. Im Sommer machte der Lehrer dann das Fenster auf. Wir sangen noch die schönen, alten Lieder und die Kurgäste, die vorbeiliefen, blieben dann stehen und hörten uns zu. Wir hörten sie dann immer von unten applaudieren und sie gaben uns manchmal etwas in unsere Reisekasse.

Es gab die Schönegg, die Sonne, den Anker, den Adler und die Glocke als Restaurants in Mumpf. Die Schönegg, der Anker und die Sonne waren auch ein Hotel. Die Sonne war ziemlich gross und hatte 60 Zimmer. Als das mit den Solbädern anfing, hatten die Hotels zuerst nur Holzfässer, in denen man baden konnte. Familie Bretscher waren die Wirtsleute auf der Schönegg. Sie hatten zwei Söhne und eine Tochter. Der eine Sohn war Bauer und der andere führte das Solbad-Hotel. Im Sommer half man sich gegenseitig. 1928 brannte die Schönegg ab, aber man baute sie dann wieder auf.

Die Sole für die Solbäder kam von der Saline Riburg und man brachte sie in einem Güllenfass auf einem Wagen. Dieser wurde von Pferden gezogen und nach Mumpf in die Sonne, in den Anker und auf die Schönegg gebracht. Bier lieferten sie von Rheinfelden ebenfalls in Fässern und stellten diese direkt unter das Buffet im Restaurant. Gekühlt wurde das Bier durch eine ca. ein Meter lange Eisstange, welche in einem Behälter neben dem Fass stand.

Nach 1930 baute der Sonnenwirt das Strandbad. Am Mittag zwischen elf und ein Uhr kamen manchmal scharenweise Leute von Basel her, da es von Basel bis Mumpf am Rhein entlang kein Strandbad gab. Diese Leute fuhren mit dem Zug an und mussten vom Bahnhof bis zum Strandbad laufen und das waren doch 1.5 Kilometer. Damit im Strandbad ein Kiosk geführt werden konnte, bekam das Strandbad das Essen vom Restaurant Sonne. In der Sonne gab es zwei Profiköche, welche immer mit dem Auto das Essen ins Strandbad fuhren und so konnten die Gäste auch im Strandbad bewirtet werden.
image011Das Strandbad in einer Luftaufnahme 1934.

image012Umzug der Zwerge
Dorffeste
Zum Dorfleben gehörten dank den Dorfvereinen natürlich viele schöne Dorffeste. Es gab den Männerchor, die Pontoniere, den Turnverein und die Dorfmusik als Hauptvereine. Der Männerchor galt dazumal etwas, er wurde vom Wallbacher Kym dirigiert. Er war Lehrer in Möhlin und er machte an diesen Festen dann auch immer mit.

Man hatte noch keine Festhütten, sondern feierte im Freien. Die Feste konnten somit nur bei schönem Wetter stattfinden. Wenn beispielsweise ein Verein seine Fahne weihen wollte, gab es eine Fahnenweihe und ein grosses Fest mit einem Umzug. Ein Lehrer wurde dazumal vom Dorf gewählt und konnte dann Wohnsitz nehmen und ins Dorf heiraten. Früher regierte der Gemeindeammann, der Lehrer und der Pfarrer das Dorf, man ehrte und bewunderte sie. Ein Lehrer, den wir mal hatten, war ein begabter Mann, um solche grossen Umzüge zu machen. Diese wurden zum Beispiel so gestaltet, dass es ein Schneewittchen gab und die sieben Zwerge. Die Frauen vom Dorf nähten die Kostüme für alle. Dann gab es noch die Prinzessin und den Prinzen, die wurden auf einem Wagen gezogen, und einmal bei einer Fahnenweihe hatte ich das Glück, der Prinz zu sein.

Hintendran kamen dann noch der König und die Bauern, der eine hatte eine Kuh, der andere ein Pferd, um die Bauern darzustellen. Die Frauen hatten die Kochschüsseln in der Hand und waren angezogen, als wären sie in der Küche. Das waren immer schöne Feste, sie fingen am Mittag an und dauerten meistens bis um sechs Uhr. Aber es gingen dann nur diejenigen nach Hause, die in den Stall mussten.

Apropos Stall; was auch immer sehr schön war, war die „Metzgete“. Diese fand meistens im Februar und September statt und es war immer ein grosses Fest. Sobald die Sau das Mass von 1.20 Meter um den Brustkorb erreichte, kam sie dran. Der Dorfmetzger schlachtete sie immer draussen hinter unserem Haus. Dann hing man sie 14 Tage an „Büttene“ am Fleischhaken auf und begoss sie jeden Tag mit dem „Suug“. Dann hängte man sie in die Rauchkammer. Als man sie dort abholte, hängte man den Speck zu Hause im Kamin auf.
image013Laura reitet auf einer Sau

image014Laura und Lilly
Die Familie wird grösser
Marie und ich bekamen viel später noch zwei kleine Schwestern. Lilly kam 1930 und Laura 1932 zur Welt.

So ergab es sich auch, dass ich mit Marie die intensivere Beziehung hatte, als zu den anderen beiden Schwestern. Natürlich waren wir eine Familie und hatten es alle gut miteinander, aber die vielen Erlebnisse, welche ich mit Marie in meiner frühen Kindheit erlebte, konnte uns keiner mehr nehmen.

Wir besassen keine eigenen Velo’s. Wir durften das Velo von den Grosseltern mütterlicherseits auslehnen. So auch am Wintertag 2. Dezember 1932. Ich brachte es am Abend um sechs Uhr zurück und da war es schon finster. Unglücklicherweise, in Anbetracht dessen wie viele respektive wenige Autos es dazumal gab, fuhr mich unten beim Restaurant Glocke ein Auto auf der Strasse an. Der Fahrer merkte dies nicht und fuhr nach Hause. Er wurde jedoch unmittelbar darauf aufmerksam gemacht und kam zu mir, um zu schauen wie es mir ging. Er brachte mich schliesslich nach Hause und meine Mutter berichtete sofort dem Doktor, was passiert war. Im Dorf Stein wohnten zwei Doktoren, Doktor Hinden und Doktor Bollag. Meistens rief man Doktor Bollag. Dieser brachte mich dann schnell nach Rheinfelden ins Krankenhaus, wo sie einen Schädelbruch feststellten, aufgrund dessen ich schliesslich operiert werden musste.

Die Operation dauerte sehr lange und ich wusste nachher von all dem nichts mehr. Sie mussten mir viele Schädelknochensplitter entfernen. Ich wachte erst am 23. Dezember wieder aus dem Koma auf und merkte, wie fest ich verbunden war. Man sah nur noch die Augen, die Nase und den Mund.
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Der Rest war unter dem Verband versteckt. So musste ich bis Anfangs Februar herumlaufen. Dann nahmen sie mir endlich den Verband weg und ich bekam ein Béret. Dieses wurde mit Wolle gefüllt, sodass es weich war und ich einen Schutz vor Schlägen auf den Kopf hatte. Ich durfte nicht rennen, sondern nur langsam laufen und gar nicht spielen. Ich hielt mich aber sehr daran, da es ja für mich gut war. Wir wohnten gerade neben der Schule und ich hörte immer, wenn meine Klasse Pause hatte. Dann schaute ich ihnen manchmal beim Spielen zu und wenn sie Sport hatten, ging ich ihnen auch beim Turnen zuschauen. Ich dachte dann immer: Wenn ich dies nur auch tun dürfte. Dann musste ich Ende Februar nach Zürich in die Klinik Burghölzli, Balgrist, das ist eine Einrichtung wie in Basel die Friedmatt, zur Untersuchung.

Ich musste zu einem speziellen Arzt, Doktor Braun gehen und wohnte zur Genesung vier Wochen lang in dieser Klinik. Die Mutter brachte mich mit dem Zug nach Zürich. Dort fand ich schnell einen Kollegen, der gleich alt war wie ich und auch aufgrund eines Unfalles in der Klinik war. Ich machte dann viel mit diesem Kollegen und wir „sauten“ im Hof herum. Wir pflegten auch nachher noch lange den Kontakt. Es gab Wagen, in denen sie das Essen transportierten, es gab verschiedene Abteilungen. Am Tag wurde ich mehrmals von Krankenschwestern geholt und es wurden viele Kontrollen gemacht, ob mit den Ohren und den Augen alles in Ordnung war. Die Schwestern sind dann mit mir im Tram, in ein Spital oder in eine Klinik gefahren, wo die Untersuchung stattfand.

Einmal an einem Sonntag, gingen wir in der Klinik in die Kirche, in eine reformierte Messe. Und dort drehte einer dann durch, das vergesse ich nicht mehr! Am Samstag und Sonntag kamen immer der Vater und die Mutter nach Zürich zu Besuch.

Im Mai musste ich dann eine Aufnahmeprüfung in der Schule ablegen. Der Inspektor war der christkatholische Pfarrer Burkhard. Die ganze Klasse musste die Prüfung schreiben, aber nur bei mir zählte sie. Ich bestand sie gut und konnte dann wieder zur Schule gehen. Ich verpasste schon viel Stoff, aber da ich vorher immer viel lernte, konnte ich diesen schnell wieder aufholen.

Berufsleben
Ich wollte immer Schreiner werden, weil mein Vater auch Schreiner war und sehr schöne Sachen gemacht hat. Da ich aber vom Unfall her immer noch Schwierigkeiten hatte, durfte es keine schwere, körperliche Arbeit sein. Dann wollte ich eigentlich gerne Koch werden, dies war jedoch auch nicht möglich, da man als Koch ständig von Dampf umgeben war, was für meinen Schädel wiederum nicht gesund gewesen wäre. Also entschied ich mich schlussendlich für eine Lehre als Coiffeur. Dank einem der Reisenden unseres Ladens, der aus Basel kam, fand ich eine Lehrstelle in Basel beim Coiffeur Geschäft Hodel & Sohn. So konnte ich 1937 die Lehre beginnen. Am ersten Tag wurde ich von meiner Mutter nach Basel begleitet, da ich vorher noch nie in Basel war.

Die Zugfahrt dauerte dazumal 35 Minuten. Der Lehrmeister sagte immer zu mir, ich dürfe kein Tram vom Bahnhof nehmen, sondern zu Fuss bis zum Geschäft laufen, weil ich am Morgen von 8 Uhr bis 12 Uhr und am Nachmittag von 13.30 bis 19.30 Uhr im Geschäft war, so war ich auch mal draussen an der frischen Luft. So lief ich also jeden Morgen und Abend und es tat mir gut. Das Geschäft „Hodel & Sohn“ war im Kleinbasel und dort kamen eher die wohlhabenderen Kunden vorbei. Der Sohn führte den Damensalon und Hodel, der Vater und die Lehrlinge arbeiteten im Herrensalon. Wenn man ins Geschäft kam, war zuerst ein Verkaufslokal, in dem die Rezeption war, bei der man sich anmelden konnte. Dort hatten wir auch viele Produkte, wie Shampoo und Parfumerie verkauft, für das war extra eine Verkäuferin angestellt. In den 30er Jahren wurde dann aber das Kaufhaus „Rheinbrücke“ gebaut. Hier wurden verschiedenste Artikel verkauft, für den Haushalt, Lebensmittel etc. Und sie verkauften auch noch viele Parfumerieartikel und so verloren die Coiffeurgeschäfte ihren Umsatz mit diesen Artikeln.

Wir waren im Geschäft zwei Lehrlinge, der andere war schon im dritten Lehrjahr als ich im ersten war. Wir mussten zum Beispiel Servietten zusammenlegen und diese wurden dann gepresst. Am Anfang musste ich viel zuschauen bis ich eigene Kunden bedienen durfte. Ich hatte es schnell in den Händen und liebte den Beruf sehr. In der Lehrzeit durfte ich eigentlich nur Männer bedienen, aber als der Ansturm manchmal sehr gross war, durfte ich auch die Damen bedienen. Dazumal wurde der Beruf noch von Hand betrieben, man hatte keine elektrischen Maschinen. Erst gegen Ende der Kriegszeit kamen elektrische Haarschneidegeräte auf. Bei den Herren wurde meistens Bartschneiden und Haareschneiden verlangt. Es kamen auch viele Herren nur zum Rasieren. Normales Haareschneiden kostete 2.20 Franken und die Dauerwellen kosteten ca. 5 Franken. Der Coiffeurlohn war in der Woche 120 Franken, also im Monat 480 Franken. Als Lehrling verdiente man aber nur 5 Franken in der Woche, also 20 Franken im Monat. Am Coiffeur Beruf gefiel mir am besten, dass es sehr vielfältig ist. Zu dieser Zeit gab es nicht viele Coiffeurgeschäfte und sie wurden ausschliesslich von Männern geführt. Es gab noch keine Coiffeusen. In Mumpf zum Beispiel gab es kein einziges Coiffeurgeschäft. Dort schnitt ein Mann, der Schneider von Beruf war, allen die Haare. Er beherrschte es einigermassen.

Über den Mittag traf ich mich meistens mit zwei guten Freunden aus Rheinfelden und ass mit ihnen „z’Mittag“. Wir gingen immer in die drei gleichen Restaurants, in den „Lällekönig“, in die „Walliserkanne“ oder ins „Bahnhofbuffet“. Im Bahnhofbuffet gab es ein Abonnement, womit man dann immer essen gehen konnte. Das Essen war allgemein sehr günstig, aber am günstigsten im Bahnhofbuffet, dort gab es immer sehr gute Gemüsesuppen für 1.20 Franken.

Ich musste auch in die Gewerbeschule, dort waren wir 23 Lehrlinge. Die Schule war in zwei Teile aufgeteilt, in den fachlichen und in den kaufmännischen Teil. Im ersten Jahr lernten wir auch „Postiche“, das war das Fach, in dem man Perücken, Bärte und Zöpfe machte. Im Geschäft, in dem ich die Lehre machte, hatten wir extra einen Raum, in dem wir Perücken und Zöpfe herstellten, die wir dann verkauft haben. Dazumal legten die Leute noch grossen Wert auf richtige, schöne Frisuren. Man war zwei Tage in der Gewerbeschule, also ein Tag im Kaufmännischen und in der Buchhaltung, ein Tag im Fachlichen und drei Tage im Geschäft. Nach dem 1. Lehrjahr musste man eine Art Aufnahmeprüfung machen, ob man fähig war oder nicht, den Beruf zu lernen, diese bestand ich sehr gut und auch der weitere Verlauf der Lehre konnte ich gut hinter mich bringen.

Nach dem dritten Lehrjahr 1940 gab es dann schliesslich in jedem Fach eine Abschlussprüfung, welche ich alle bestand. Danach war für mich eine Weiterbildung als Damencoiffeur das nächste Ziel. Ich arbeitete ein Jahr als „Volontär“ in der Rosentalstrasse beim Coiffeur Künzli und machte dort die Weiterbildung zum Damencoiffeur. Im Damensalon gab es dazumal meistens die Dauerwellen, die Wella, diese hatten einen starken Geruch und viele vertrugen dies nicht. In dieser Zeit kamen langsam auch Coiffeusen auf.

In meiner Freizeit ging ich immer mit den Jungs in die Jungmannschaft und die Mädchen gingen zum Blauring. Wir trugen weisse Hemden und eine weiss-blaue Krawatte als unser Tenü. An den Sonntagen hatte man dann immer Treffen. Es gab einen guten Pfarrer in Wallbach, welcher diese organisierte und alle zusammenrief. Dort machten wir dann verschiedene Spiele miteinander und spielten Handball oder andere Ballspiele. Da kam man dann das erste Mal mit Mädchen in Kontakt und ich lernte Hildegard Obrist kennen. Sie hatte Jahrgang 1926 und war somit vier Jahre jünger als ich. Wir verstanden uns sehr gut und machten dann auch manchmal ab.

Militärdienst im 2. Weltkrieg
Später, 1940, musste ich mit 18-jährig ins Militär einrücken. Der General, welcher zu Kriegsbeginn ernannt wurde, hiess Henri Guisan und zu gleicher Zeit war Rudolf Minger Bundespräsident. Diese beiden mussten alles handhaben und mit der unerwarteten Situation gut umgehen. An einem Dienstagnachmittag schon im Jahre 1939 brach der Krieg aus. Der Gemeindeweibel lief durch das Dorf und schrie „Mobilmachung, Mobilmachung“. Und dann mussten alle, die dienstpflichtig waren, einrücken. Nach der Mobilmachung kamen viele Leute vom Dorf in den Laden und kauften Zucker und Mehl als Vorrat. Meiner Familie ging es dank dem Laden sehr gut, auch sonst gab es nicht viel mehr Armut als sonst. Aber es gab auch Familien, die gar nichts hatten und diese mussten dann schmal durch. Zu dieser Zeit hatte aber jeder noch einen Gemüsegarten mit Kartoffeln, Kabis und Lauch etc. um das Haus herum. So konnte sich jeder gut selber versorgen.

Die Armee und der Bundesrat mussten schauen, dass es genug Soldaten hatte, weil die Schweiz überrascht wurde und das Militär war noch nicht sehr modern; es gab immer noch die alten Kleider z.B. ganz dicke Hosen, nicht so wie heute. Es mussten zwei Jahrgänge zusammen rekrutiert werden. Es wäre nur der Jahrgang 1921 zu rekrutieren gewesen und dann nahmen sie den Jahrgang 1922 noch dazu. Also musste ich auch ins Militär. Zuerst ging es nach Aarau und dort wurden wir eingekleidet. Dann mussten wir, ca. 100 Soldaten, in voller Montur mit Rucksäcken und Allem nach Suhr laufen, wo wir die ersten Einteilungen erhielten. In Suhr auf dem Kirchplatz wurden wir vereidigt und mussten den Eid schwören. „Wir schwören, dass wir für das Vaterland einstehen.“ Wir wurden dann eigentlich direkt Soldaten und waren nie Rekruten, da zu wenig Zeit für die RS war.

Wir mussten die Haare ganz kahl abschneiden wegen der Läuseplage, was mich störte, da ich meine Haare sehr gerne mochte. Es gab strenge Regeln, aber wir hatten es in meiner Einheit sehr gut und wir verstanden uns auch gut. Wir wurden einfach eingeteilt nach dem Beruf, welchen wir ausübten. Coiffeure, Schneider und Metzger zum Beispiel kamen zur Sanität. Ich kam also zur Sanität und das gefiel mir. Wir hatten etwas Sinnvolles zu tun. Die Infanterie musste stets Wache schieben und musste bereit sein vor einem Überfall oder einem Kampf. Wir sorgten uns um die Flüchtlinge, was uns erfüllte.

In Mumpf, beim Pontonierdepot gab es einen Wachposten, weil von Deutschland Flüchtlinge über den Rhein kamen. Sie hielten sich am Seil der Fähre und angelten sich herüber. Dann mussten die Soldaten, die Wache hielten, diese entgegennehmen und sie zur „Sonne“ bringen. Dort war ein Posten der Offiziere, die die Flüchtlinge entgegennahmen und diese einteilten.

Es gab leider zu wenig Kasernen für so viele Rekruten, also wurden wir verteilt. Die erste Unterkunft in meiner Abteilung war in Suhr, beim Restaurant Bären in einem grossen Schopf. Dort wurde ein Massenlager für uns eingerichtet. Es gab keine Betten, sondern ein Strohlager. Am Morgen früh um sechs Uhr war „Tagwache“, es gab Frühstück und dann hatten wir Soldatenschule. Die eine Abteilung musste Kampfübungen machen und die andere musste zu den Patienten, dann wurde getauscht.

In der Sanitätsabteilung mussten die Flüchtlinge behandelt werden. Vom weiten Laufen waren sie geschwächt. Die meisten hatten es beispielsweise in den Beinen und man musste ihnen diese oder den Rücken massieren. Die Flüchtlinge waren in Lagern und dorthin mussten wir als Sanitäter dann gehen. Wir betreuten durchschnittlich 200 Flüchtlinge in diesen Baracken, in denen sie schliefen. Wir brachten ihnen anfangs immer das Frühstück, bis sie es selber zubereiten konnten. Es war alles gut durchorganisiert. Die Flüchtlinge sprachen natürlich meist eine andere Sprache, da sie von Ungarn, Polen etc. kamen und wir verstanden sie nicht. Also schrieben wir auf eine Karte, was wir uns sagen wollten. Es gab Flüchtlinge, denen es ziemlich gut ging, diese mussten in der Armee den Sappeuren helfen, die Strassen zu festigen und zu sperren. Die Frauen der Flüchtlinge halfen den Bauern. Die anderen, welchen es nicht gut ging, wurden durch die Sanitäter wie ich einer war, betreut. Es gab Stationen in Olten, Zofingen, Rheinfelden und noch weitere. Man kam jedes Mal an einen anderen Ort.

Einmal gab es eine Untersuchung der Soldaten, um zu sehen, wie es uns so geht. Als ich an die Reihe kam, musste ich auf einen Stuhl stehen und der Doktor fand heraus, dass ich Plattfüsse habe. Er meinte, ich brauche unbedingt Einlagen. Also musste ich nach Interlaken und welche machen lassen. So bekam ich ein Billett, um mit dem Zug am Morgen um sieben Uhr nach Interlaken zu fahren. Es kamen noch zwei andere mit, die auch Einlagen brauchten. Wir kamen in ein Hotel, das auch ein Lager war, dort konnten wir diese Einlagen machen lassen. In diesem Hotel gab es eine Laube, bei der man eine Treppe hoch gehen musste. Als ich auf dieser Laube stand und nach unten schaute, sah ich Peter Riner, der aus Zeiningen kam. Er war Sekundarlehrer und wir kannten uns vom Turnen. „Eh, du bist auch da!“ Wir waren beide überrascht uns ausgerechnet dort zu treffen. Nachher konnten wir kurz miteinander reden und er meinte, wir kämen heute sicher nicht mehr zu unseren Einlagen. Sie warteten schon sehr lange in der Reihe und wir müssten uns jetzt noch ganz hinten anstellen. Es hatte sehr viele Soldaten da. Von Interlaken aus mussten wir uns dann melden, dass wir nicht mehr heute drankämen und dort übernachten mussten. Und so gingen wir am Abend Jassen und schliefen schliesslich in Interlaken. Am nächsten Tag machten wir uns dann wieder mit den Einlagen auf den Weg zurück nach Solothurn. Es waren solche Blechscheiben, welche ich schlussendlich gar nie anhatte!

Vom Krieg selber bekamen wir nicht viel mit. Das Einzige, was von der Regierung nicht gut gelöst wurde, war, dass man am Abend die Häuser verdunkeln musste. Es durfte kein Licht nach draussen kommen. Dies war ein Fehler, da die Flieger, die anflogen, nicht sahen wo die Schweiz war, so wurden Basel und Schaffhausen von Bomben getroffen. Das haben wir natürlich schon mitbekommen. Meistens am Abend, um etwa neun Uhr flogen die Flieger über die Häuser und dies war immer sehr laut.

Die Schweiz hatte einen Bundesrat, Herr Wahlen, der die Knappheit des Essens als ein Problem betrachtete. Er machte eine Regelung für den Anbau von Kartoffeln. Die Gemeinden, die Land zur Verfügung hatten, mussten Kartoffeln anbauen. So auch in Wallbach bei meinem späteren Bienenhaus oder auf den Fussballplätzen. Dieser Anbau von Kartoffeln etc. ist bekannt geworden unter dem Titel „Anbauschlacht“. Um die Mengenverteilung zu kontrollieren, gab es ausserdem ein Markensystem, welches das Essen rationierte. Jede Person hatte eine Lebensmittelmarke, mit welcher man Einkäufe tätigen konnte und ohne diese bekam man nichts.

Angst vor dem Krieg gab es als solches nicht. Angst kam auf, als Basel bombardiert wurde. Es gab zum Glück dort keine Toten, es wurden nur Häuser beschädigt. Aber man wusste nicht ob die Deutschen noch nach Frankreich wollten. Es war eine Teilkriegsmobilmachung und dann machten die Deutschen einen Angriff auf das Elsass. Hitler wollte das Elsass für sich gewinnen. Dort ging es dann langsam gegen den Frieden zu und das Elsass war gerettet.

Im Militär bekamen wir manchmal auch Urlaub, in dem man arbeiten konnte. Man konnte sich bei einem Vermittler in Basel melden, der verhalf zu einer Stelle. Dieser arbeitete im Coiffeur-Geschäft Schunke in der Dufourstrasse. Ich lernte ihn kennen, als ich nach der Lehre noch in Basel arbeitete und Kurse in der Elisabethenstrasse besuchte. Im Urlaub bekam ich Arbeit in Basel in der Gundeldingerstrasse und dann in Pratteln und in Dottikon. In Dottikon konnte ich als Damen- und Herrencoiffeur in einem grossen Geschäft arbeiten. Bei diesen Stellen war die Unterkunft inbegriffen.

Wenn man Urlaub hatte, bekam man ein Zugbillett nach Hause und wusste, wann man wiederkommen musste. Es war unterschiedlich wie lange der Militärdienst und der Urlaub manchmal dauerten und war abhängig von der Lage. Der längste Dienst war acht Wochen am Stück, das war in Solothurn. Von dort aus musste ich oft mit dem Fahrrad nach Grenchen fahren zum Flughafen, zu einem Posten des Militärs. Dort hatte es manchmal kranke Soldaten und ich musste ihnen Medizin bringen. Einen solchen Posten gab es auch in Zuchwil.

In Solothurn waren die Flüchtlinge in der Turnhalle untergebracht. Dieses Lager war gut und angenehm, gleich in der Nähe vom Restaurant Baslertor gelegen, neben der Kirche. Dort gab es eine Gasse, wo sie die Küche vom Militär für die Flüchtlinge hatten und man musste das Essen mit seiner grossen Schale „fassen“ gehen. Einmal fuhr um 12 Uhr ein Mercedes- Auto vor, von einem Wachtmeister gefahren, und es stieg General Guisan aus. Er sagte zu mir: „Bon Appetit.“

Von Solothurn kam ich nach Olten in ein Lager und dann nach Wangen an der Aare. Immer wieder dorthin, wo es gerade Baracken mit vielen Flüchtlingen hatte. Bis 1945 war ich im Militärdienst und als der Krieg dann zu Ende war hatte ich eine Stelle in Kloten und dann in Niederlenz. In Kloten, wo jetzt der Flughafen ist, war ein Flugplatz für Militärflieger und dort konnte ich arbeiten. Zuerst für einen Monat und dann für eineinhalb Jahre. Der Meister hiess Bugmann und das Coiffeurgeschäft war im Restaurant Sternen. In diesem Gebäude wohnte ich dann auch mit Kost und Logis beim Meister und verdiente pro Woche 50 Franken. Als ich das zweite Mal dort war, ging ich in Kloten in den Turnverein und lernte dort viele Kollegen kennen. Als der Krieg zu Ende war, musste die Sanitätsabteilung nochmals für 6 Wochen einrücken, um die letzten Flüchtlinge in Rheinfelden zu betreuen. Gewisse Flüchtlinge blieben hier, da sie Bekanntschaft mit einer Schweizer Familie gemacht hatten.

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Meine Schwester Lilly hatte in der Zwischenzeit auch eine Lehre als Coiffeuse gemacht. Wir entschlossen uns 1949 zusammen ein Coiffeurgeschäft in Mumpf zu eröffnen.

Da Lilly’s Freund auch Coiffeur war, hatten wir noch einen Mitarbeiter mehr. Ich war im Turnverein und Lilly in der Damenriege. Das brachte uns viele Kunden und das Geschäft lief prima. Dazumal kamen alle Leute mit dem Fahrrad zum Coiffeur. Hildegard konnte aufgrund ihres Beines nicht Fahrrad fahren und wurde dann manchmal von ihrem Bruder Walter mit dem Traktor zu uns gebracht. Ich durfte ihr die Haare schneiden. Natürlich kam sie nicht nur, um die Haare zu schneiden. Sie besass schöne, hellbraune Haare. So wurde die Verbindung immer stärker.

Heirat 1953
Als ich endlich vom Militär wieder fest zu Hause war, beteiligte ich mich wieder am Dorfleben. Auch fuhr ich oft mit Hildegard mit dem Fahrrad nach Mariastein oder durch den Wald nach Möhlin. Im Wald hatte es dann schöne Brätelstellen, bei denen wir oft brätelten. Das war eine schöne Zeit.

Hildegard erlernte keinen Beruf und bekam schliesslich von einer Frau in Mumpf den Tipp, nach Basel an eine Haushaltsschule zu gehen. Meine Mutter interessierte sich dafür und ging dann mit ihr und zwei anderen Mädchen aus Mumpf nach Basel in diese Schule, um sich zu erkundigen, wie es dort ist. Am Morgen hatten sie dann zum Beispiel Kochen und am Nachmittag Schneidern und so lernten sie alle Haushaltarbeiten. Die Schule dauerte drei Jahre und war sehr gut. Sie organisierten dann auch ab und zu Ausstellungen, bei denen man die Kleider, welche sie schneiderten, anschauen konnte. In dieser Schule lernte Hildegard dann Nelly, eine gute Freundin kennen.

Hildegard hatte mit einundzwanzig Jahren einen schlimmen Fahrradunfall. Sie fuhr am Morgen mit dem Velo an den Bahnhof und wurde von einem Auto angefahren. Da hatte sie einen doppelten und komplizierten Beinbruch, welcher schwer zu behandeln war. So war sie lange Zeit behindert und konnte nicht mehr so viel machen. Sie kam dann in ein Kurzentrum nach Madonna del Sasso bei Locarno. Ich hatte immer per Telefon Kontakt mit ihr. Ich konnte sie ja nicht besuchen. Hildegard und ich kannten uns nun schon länger und hatten es sehr schön miteinander. Der Wunsch zu heiraten wurde immer grösser. Ich sagte ihr, wenn ich heirate hätte ich gerne mindestens zwei Kinder und ein eigenes Haus. Das lag ebenso in ihrem Sinn, aber sie fragte mich dann, wie ich ein eigenes Haus bauen wolle. Ich sagte ihr dann: Musst einfach warten, bei mir musst du immer warten, es kommt alles wie es sein muss.

Wir wollten langsam zusammenziehen, also verlobten wir uns. Die Ringe kauften wir uns in Basel. Einer kostete 70 Franken. Wir verlobten uns 1950 und feierten die Verlobung am Bettag im Elternhaus von Hildegard und es kamen beide Familien zusammen. Bis zur Hochzeit wohnte ich zu Hause.

Am Tag der Hochzeit zog ich dann mit Hildegard zusammen.
Am 6. April 1953 heirateten wir schliesslich. Bei der Hochzeit war es Tradition, dass der Bräutigam die Braut vor dem Elternhaus abholt. Vom Elternhaus aus machte man dann eine Art Umzug bis in die Kirche. Zu dieser Zeit gab es nur Naturstrassen und am Tag unserer Hochzeit regnete es den ganzen Morgen. So musste Hildegard mit ihrem weissen Kleid und dem Schleier durch den Dreck bis zur Kirche laufen. Die zivile Hochzeit war am gleichen Tag im Gemeindehaus in Wallbach. Die Brautzeugen waren mein Vater und Hildegards Götti. Die Hochzeit war sehr schön und wir gingen anschliessend in die Sonne nach Mumpf essen.

Am andern Tag begaben wir uns auf die Hochzeitsreise nach Locarno. Das Billett hin und zurück kostete für uns beide 53 Franken für 14 Tage. Wir wohnten in einem Hotel in Madonna del Sasso, dort war Hildegard schon einmal, als sie Probleme mit den Beinen hatte. Nachdem wir ankamen, wurden wir in den Keller geführt, dort hatte es auch Zimmer mit Betten, da der restliche Teil des Hotels ausgebucht war. Am Morgen um vier Uhr ging dann der Lärm los, von denen, die im Restaurant arbeiteten. Also fand ich, hier bleiben wir ganz sicher nicht. Wir spazierten nach dem Frühstück an den See und sahen dort eine Tafel, auf der alle Hotels angezeigt wurden. Wir gingen eines anschauen und fanden es den Hammer, also wechselten wir in dieses Hotel. Die Reise ging dann weiter mit dem Zug durch das Centovalli, anschliessend fuhren wir via Brig nach Montreux, wo wir Nelly, die Schulfreundin von Hildegard besuchten. Wir blieben eine Woche dort, bis wir dann nach Hause fuhren.

Hildegard und ich bezogen dann eine Wohnung in Wallbach. Als später auch Lilly heiratete, wurde es zu knapp, als dass das Geschäft zwei Familien ernähren konnte. So war es ein langes Hin und Her, bis ich nach zwanzig Jahren als Coiffeur 1957 den Beruf aufgab. Es war sehr schwer für mich den Beruf aufzugeben, weil ich grosse Freude daran hatte und ihn auch beherrschte. So fand meine Mumpfer Zeit ein Ende.

Nachwort
Soweit der Bericht meines Opa’s über seine Mumpfer Zeit. Nach den Schilderungen, bei denen wir immer wieder beide lachen konnten, vertraute er mir seine wichtigste Lebensregel an. Opa sagte mir: „Weisch ich han immer Gott vor Auge gha. Im ganze Läbe immer druf vertraut, dass Gott mir hilft. Er hilft mir au hüt no. S’Bätte isch immerno s’Wichtigste. Nid nume in d’Chile goh, sondern s’Bätte.“

Autorin:
Liza Kaufmann