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1912: Turnverein Mumpf

80 Jahre nach der Gründung des Eidgenössischen Turnerverbandes begannen auch die Mumpfer mit dem gemeinsamen Turnen. Die Schriften zu den ersten Jahrzehnten des Vereinslebens sind verschollen. Ein Kassabuch, beginnend 1937 und die Statuten von 1949 sind die ältesten Dokumente, die sich haben auftreiben lassen.

Immerhin lässt sich hier das Gründungsjahr ausmachen. An Fotographien aus den Anfängen des Turnvereins sind gleich deren drei erhalten: 1. Turnfahrt nach Wittnau, 2. Fototermin vor der „Glocke“ um 1918, 3. Theatervorstellung in der „Sonne".


1912 müssen die Turner den Betrieb recht rasant aufgenommen haben. Schon ein Jahr später begab sich der Verein auf eine Turnfahrt nach Wittnau mit schwarzen Nagelschuhen, weisser Turnuniform und Turnerband. Um 1918/1919 muss eine weitere Turnfahrt stattgefunden haben. Schliesslich fand 1922 eine Turnervorstellung mit Theater in der Sonne statt. Aber bereits 1923 muss eine schwere Krise den Verein lahmgelegt haben, zu der sicher die misslichen Turnbedingungen, die Lebensumstände der Nachkriegszeit und auch Querelen beigetragen haben.

Die Gründungszeit des Turnvereins war auch Vorkriegszeit. Das Männerturnen stand im Zusammenhang mit der Landesverteidigung. Militärdepartement und Eidgenössischer Turnverband arbeiteten eng zusammen. So hiess es denn in einer gemeinsamen Erklärung: „Die Turnübungen sind Vorbereitungen für die Arbeiten des Mannes, damit jeder ein gesunder, starker, tapferer und freudiger Mann werde, damit jeder den kräftigen und ausdauernden Leib gewinne, welcher Beschwerden der Märsche und den Arbeiten des Lagers des Schlachtfeldes gewachsen sei.“ Das Turnen gehörte zur sogenannten Nationalerziehung.

Wichtigste Elemente im Turnbetrieb waren die „Leibesübungen“: Alle Turner standen in einer Reihe und führten die Übungen auf Kommando aus. Diese konnten an Turnfesten als Schauturnen gezeigt werden und zogen die Blicke der Zuschauenden magisch an. Weitere wichtige Bereiche waren Springen, Werfen, Turnen am Stemmbalken, Korbball, Handball, Fausball, Ballüberschnur und Völkerball.

Die Turnfestbilder zeigen die Besammlung, den kommandierenden Oberturner, die ausführenden Turner auf der Turnwiese und in der Festhalle sowie die Heimkehr ins Dorf.




Die Besuche von Turnfesten, von Laufanlässen, später von Spiel- und Stafettentagen und die Auslagen von Endturnen und Turnfahrten belasteten die Ausgabenseite stark. Dazu kamen noch die Kosten für Gerätemiete und Gerätetransporte. Die Turnvereine boten gegen Bezahlung des Bundes auch den turnerischen Vorunterricht an, nachdem der bewaffnete (!) Vorunterricht abgeschafft wurde. Er wurde zum unerlässlichen Bestandteil der männlichen Erziehung. Die zweckmässige Turnbekleidung bestand in weissen langen Hosen und weissen Oberleibchen.

Nicht nur der turnerische Vorunterricht bescherte Einnahmen in die Turnkasse. 1937 bezahlten die 18 Mitglieder einen Jahresbeitrag von 6 Franken und die 42 Passivmitglieder einen solchen von 3 Franken. Weitere Geldquellen waren Kegelschieben, Theaterabende, Turnerabende (meist drei Vorstellungen), finanzielle und materielle Spenden.

Der Mumpfer Turnbetrieb von damals war auch von der Organisation her aufwändig. Für das Turnen im Sommerhalbjahr stand die Munimatte neben dem Schützenhaus auf dem Kapf zur Verfügung. Dabei kamen sich oft die Telefonleitungen der Schützen zwischen Schützenhaus und Scheibenstand und die Bälle der Turner in die Quere. Eine Lagerung von Turn- und Leichtathletikgeräten war nicht möglich, und als Turngerät stand lediglich ein langer dicker Stemmbalken mit Bügeln zur Verfügung und für den Weitsprung eine Sandgrube. Auch das Umpflügen der ebenen Fläche durch Bauern sorgte nicht immer für turnerische Freuden. Oft wich man für die Laufübungen auf die Strassen aus.

Der Winterturnbetrieb fand in diversen Scheunen des Dorfes statt, je nach vorhandenen Plätzen. Oft halfen die Turner einem Bauern beim Dreschen, um dann in der leer gewordenen Scheune die Turnstunden abhalten zu können.

Da der Verein keine Geräte besass, musste er für den Winterbetrieb einen Barren und ein Pferd mieten und nach Mumpf transportieren. Diese Sportgeräte holte man mit einem von Hand gestossenen Pritschenwagen in Wallbach, dann später mit Fuhrwerken und auch mit Traktoren aus Möhlin nach Mumpf zur entsprechenden Scheune.
Wiederum waren die Zeiten politisch angespannt. Die militärische Bedrohung von Norden her gab der körperlichen Ertüchtigung aus der Sicht der Landesverteidigung neuen Aufschub. Vergessen waren die vielen Krisen seit 1922, die den Verein einschlafen liessen. Ab 1937 ging es aufwärts, turnerisch und kameradschaftlich, so dass 1943 – mitten in der Kriegszeit – die Fahnenweihe durchgeführt werden konnte.




Zum Fest gibt es wenige Unterlagen. Im damaligen Fahnenfond befanden sich 500 Franken und die Vereinskasse leistete für das Fest 140 Franken Vorschuss. Der TV Möhlin amtete als Patensektion. Führend am Wiederaufbau beteiligt waren die in ihren Sparten hervorragenden Fritz Gallati (Kunstturnen), Robert Triebold (Schwingen) und Erwin Triebold (Leichtathletik). Sie alle nahmen damals in Mumpf Wohnsitz. Die Turnfeste und Turntage wurden von nun an fast lückenlos besucht. Endturnen, Stafetten- und Spieltage und oft mehrtägige Turnfahrten legen Zeugnisse eines regen Turnbetriebes ab.

Als „Obligatorium“ standen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zwischen 1940 bis 1960 die Pyramiden an den Bundesfeiern auf dem Programm. Das Spektakel der Pyramiden mit bengalischer Beleuchtung begeisterte jedes Jahr.



Und nach 1950 gehörten auch die Vereinsreisen wieder zu den regelmässigen Vereinsanlässen.



Die Schwerpunkte des Turnbetriebes verlagerten sich allmählich vom Turnen auf Kommando zu erweiterten Angeboten wie

- Leichtathletik mit Schnelllauf, Weitsprung, Weitwurf, Kugelstossen und Speerwerfen,
- Geräteturnen mit Barren, Reck, Pferd und Bodenturnen,
- Ballspiele mit Hand-, Fuss-, Schnur- und Faustball.

Einige Jahre nach dem Kriegsende von 1945 kam mit der Gemeinde eine Einigung zustande, einen Turnplatz – vermutlich gleichzeitig mit der Verlegung des Schützenhauses – am Rhein 100 Meter oberhalb der Fähre anzulegen und ein Turnhüttchen zu erstellen, was als Verbesserung gegenüber den Bedingungen auf dem Kapf empfunden wurde.


Vom Turnplatz am Rhein zur Turnhalle auf dem Kapf: Die Bedingungen veränderten sich jedoch erst, als der Bau der neuen Schulanlage 1971 abgeschlossen werden konnte. Dies ermöglichte einen geregelten Turnbetrieb bei jedem Wetter. Mit dem Bezug der neuen Turnhallanlagen auf dem Kapf entstand auch das geregelte Turnen von Damenriege, Frauenriege, Jugendriege, Mädchenriege und einer Seniorengruppe. Sie alle bestritten die zeitweise alle zwei Jahre durchgeführten „Turnerabende“ gemeinsam. 
Im Januar 1987 fand die 75-Jahr-Jubiläumsfeier vor vollem Haus statt, verbunden mit der Einweihung der 2. Vereinsfahne. Und 2012 feierte der Verein sein 100-Jahr-Jubiläum anlässlich der Bundesfeier am Rhein.
 
Auch die Turnfeste machten einen Wandel durch. So umfasste das Angebot am Eidgenössischen Turnfest 2013 in Biel Vereins- und Einzelwettkämpfe sowie Sport- und Freizeitwettkämpfe.
• Einzelwettkämpfe: Aerobic, Geräteturnen, Gymnastik, Leichtathletik, Nationalturnen, Kunstturnen, Rhythmische Gymnastik, Trampolin, Turnwettkampf
• Plusport (Behindertensportwettkämpfe)
• Vereinswettkämpfe: Jugend, Aktive, Frauen/Männer, Seniorinnen und Senioren, Leichtathletik-Mannschafts-Mehrkampf
• Spiele (Faustball, Indiaca, Korbball)
 
Die Bilder zeigen die gemischte Gruppe bei einem Wettkampf mit Ball und Distanzlaufen.  





Quellen:
Unterlagen im Gemeindearchiv
Auskünfte der ehemaligen Turner Franz Kaufmann, Oskar Studinger, Max Güntert.
Fotoarchiv Dorfmuseum Mumpf
Fotos vom Turnfest 2013 aus der Vereins-Homepage


Autor:
Gerhard Trottmann