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Uhrengewerbe in Mumpf

Ja, das gab es tatsächlich. Insgesamt sind drei Uhrenherstellungsbetriebe zu vermelden:

- Uhrenfabrik AGON Robert Triebold
- Uhrenfabrik „Muros“ Triebold Erwin
- Uhrenterminage Rudolf Gut

Grundlegend möglich wurde dies durch den Zuzug der Gebrüder Erwin und Robert Triebold aus der Uhrenhochburg von Grenchen. Der dritte Uhrmacher, der Mumpfer Rudolf Gut absolvierte eine Berufslehre bei Muros, um sich dann selbständig zu machen. Erst betrieben die beiden Brüder Robert und Erwin Triebold in Mumpf im Säckingerhof gemeinsam einen Uhren-Herstellungsbetrieb. In dieser Zeit heiratete Robert die im Säckingerhof wohnhafte Lina Kaufmann, Tochter des damaligen Gemeindeammanns August Kaufmann. Bald machten sich die beiden Brüder selbständig. Während Robert ein eigenes Haus mit Werkstätte im Unterdorf erbaute, arbeitete Erwin weiter im Säckingerhof.


Uhrenfabrik AGON

Gründer war Robert Triebold. Er liess schon bald nach dem Neubau an der Hauptstrasse im Unterdorf seine Einzelfirma Agon im Handelsregister eintragen. (Agon Watch – Robert
Triebold Ltd, in Mumpf, eingetragen 1930). (1) 1937 erfolgte der Eintrag ins Schweizerische Handelsamtsblatt. Von 1952 bis zum 14.11.1974 hiess der Betrieb „AGON Uhrenfabrik Robert Triebold AG“, dann bis zum 13.12.1978 „Agon Uhrenfabrik AG“. In den Blütezeiten beschäftigten die Triebold’s gegen 400 Mitarbeitende. Ihre Produkte verkauften sich in allen Kontinenten, die regelmässig mit den neuesten Kollektionen bereist wurden.

Die Firma verstand sich als Uhrenmontagebetrieb. Die Bestandteile wurden eingekauft, vorerst nur in den Uhrenmetropolen der Schweiz, später auch im Elsass und in Pforzheim:
Unruh und Spiralfeder, Antriebs- und Aufzugsfeder, Ankerrad und Gangrad, Uhrgehäuse, Zeiger und Zifferblatt sowie die Armbänder. Die Montage des Uhrwerks von Hand erforderte von den Angestellten viel Gefühl, Ausdauer und Genauigkeit. Wenn eine Uhr die Agon verliess, durfte sie auf keinen Fall hintennachgehen. Pro Tag durfte sie höchstens drei Minuten vorgehen. So lauteten die Toleranzvorgaben.

Die AGON stellte Billiguhren, die sogenannten „Roskopf-Uhren“ her, benannt nach der Erfindung von G.F. Roskopf im Jahr 1867. Sie wurden auch „Proletarieruhr“ oder die „Uhr des Arbeiters“ bezeichnet. Die Uhren waren einfacher konstruiert, bestanden aus weniger Teilen als hochklassige Uhrwerke der teureren Anker-Uhren und waren daher billiger. (2) Die tiefsten Preise lagen bei etwa sieben Franken, die teuersten bei 25 Franken. Ende der 1960er-Jahre stellte die AGON jährlich rund 2,5 Millionen Uhren her. (3) Die Produktion ging nach 1970 sehr rasch zurück, als die billigen Uhren nicht mehr gefragt waren. Die ersten erschwinglichen Quarzuhren kamen auf den Markt und darauf war die Schweizer Uhrenindustrie nicht vorbereitet. Die Aktivitäten der Agon wurden bereits 1971 von SSIH (Société Suisse pour l'Industrie Horlogére SA - eine Gruppe von Schweizer Uhrenunternehmen) übernommen. Aus der SSIH wurde später die Swatch-Gruppe.

Robert Triebold und seine Söhne Eddi und Othmar bereisten mit ihren Kollektionen jeden Kontinent. Somit verkaufte Agon Uhren auf der ganzen Welt, vor allem in Amerika, und war in den Handelsregistern praktisch aller Länder eingetragen, so auch in Dänemark (4):

1 Uhren Dänemark

2 Uhren Pferdchen
Um seine Uhren noch bekannter zu machen, schmückte er die Agon-Zifferblätter mit einer Pony- oder Pferde-Darstellung.

Triebold hielt Rennpferde, mit denen er auch Turniere bestritt. Seine Pferde waren in den Stallungen der „Salzi“ an der hinteren Dorfstrasse untergebracht. In seinen Diensten stand auch ein Jockey namens Stüssgen, der die Pferde trainierte und auch, im Wechsel mit Sohn Othmar, erfolgreich Pferderennen bestritt, so an den Aroser Pferderennen. Gleich neben dem Werkstattgebäude befand sich das Trainingsgelände.

Nach 1960 erstellte Robert Triebold einen Fabrikbau an der Hauptstrasse sowie eine Villa mit Schwimmbad an der Rheinstrasse und verkaufte das bisherige Wohn- und Produktionsdomizil.

3 Uhren Pferdebahn
1 Das um 1930 erbaute Wohnhaus
2 Angebautes Werkstattgebäude
3 Pferderundbahn
4 Die um 1960 erstellte Villa mit Schwimmbad
5 Hauptstrasse nach Basel
6 Bauplatz der späteren Uhrenfabrik AGON (Bild unten):


Aus dem Film „Dörfliches Leben in Mumpf“, 1970 von Willi Kissling, Archiv Dorfmuseum Mumpf
4 Uhren Agon 1970

Aus der AGON-Kollektion:
1 Herrenuhr - 17 Juwelen, Stoppuhr-Funktion, um 1950
2 Agonuhr mit Kalender, um 1960
3 Agonuhr mit Kalender, um 1960
4 Kunststoffuhr um 1970

5 Uhren Agon Kollektion

Die Agon-Uhrenfabrik wirkte innovativ: Sie sorgte für eine modische Gestaltung der Produkte, indem sie einen Designer dafür anstellte. Die Firma entwickelte Kunststoffuhren und eine der ersten digitalen Armbanduhren. Davon zeugt der Auszug aus dem 5-seitigen US Patent vom 5. Februar 1974. Der darin erwähnte Hurt hiess Zeno mit Vornamen, stammte aus Mumpf und leitete das technische Büro:

6 Uhren agon Auszug US Patent 5 Seiten


Uhrenfabrik Muros

Besitzer war Erwin Triebold. Die Produktion umfasste Stoppuhren, Damenuhren, Herrenuhren, Tischuhren, Wecker sowie Musik-Spielwerke, hergestellt in seinen Werkstätten in Mumpf im Säckingerhof, in Wittnau, St. Crois und Frick sowie durch Heimarbeitende. Zeitweise gab es um die 140 Beschäftigte. Diese produzierten vor allem für den europäischen, arabischen und amerikanischen Markt. Erwin Triebold betätigte sich auch politisch im kantonalen und auch eidgenössichen Parlament. Sodann erbaute er Mietwohnungen im Gartenviertel und Einfamilienhäuser auf der Waldwiese in Mumpf, vor allem für seine Angestellten. Der Betrieb in Mumpf bestand von 1939 bis 1957. Im Jahr 1940 erfolgte der Eintrag ins Schweizerische Handelsamtsblatt. Im Jahr 1958 verlegte Erwin Triebold die gesamte Produktion nach Frick in eine ungenutze Fabrikanlage. Doch die finanziellen und weltwirtschaftlichen Verhältnisse leiteten den Niedergang und die Übernahme von Muros durch ein Zürcher Unternehmen ein.

7 Uhren Muros handelsamtsblatt 1958
(Eintrag im Schweizerisches Handelsamtsblatt vom 0ktober 1958)

Zu Erwin Triebold ist im Historischen Lexikon der Schweiz (5) zu lesen:
24.10.1907 Grenchen, 13.9.1990 Rheinfelden, kath., von Grenchen. Sohn des Adolf Mathäus und der Lina geb. Zwahlen. 1940 Aline Gilomen, Tochter des Wilhelm Robert. 1939 gründete T. die Uhrenfabrik Muros in Mumpf, wo schon sein älterer Bruder Robert in der gleichen Branche tätig war. T. beschäftigte in der Blütezeit bis zu 140 Personen. 1957-58 verlegte er die Firma nach Frick. In den 1960er Jahren geriet er in wirtschaftl. Schwierigkeiten und verkaufte die Fabrik an die Zürcher Fam. Schulthess, die den Betrieb 1993 schloss. T. war 1946-61 Gemeindeammann von Mumpf, 1945-53 freisinniger Aargauer Grossrat und 1947-55 Nationalrat.

Neben seiner politischen Tätigkeit regte er das gesellschaftliche Leben an:
- Als Mitglied im Obstbauverein, wo er mit der Abnahme der Obsterzeugnisse durch sein Handelshaus gleich noch das Geschäftliche verband,
- als Förderer des Mumpfer Turnwesens,
- als bestimmendes Mitglied im Verkehrs- und Verschönerungsverein und
- als spendabler Mensch bei vielen Gelegenheiten, z.B. als Spender eines neuen Uhrwerkes im Kirchturm.

8 Uhren Muros Briefkopf

Die Produkte von „Muros“ sind reichhaltig dokumentiert. So existieren auch Patenteingaben sowohl von Uhrwerken wie auch von Musikdosen. (6)
Patent 322340: Tischuhr
Patent 305645: Armbanduhr Herren
Patent 296364: Federloses Musikspielwerk
Patent 299813: Sparkasse mit Spieldose

9 Uhren Patent 40
10 Uhren Patent 45

11 Uhren Patent 64
12 Uhren Patent 13

Aus der Muros-Kollektion:
1 Cowboyuhr mit beweglicher Waffe aus dem Jahr 1952
2 Gene Autry-Uhr aus dem Jahr 1948, für den amerikanischen Markt hergestellt.
3 Radax Taschenuhr
4 Uhrwerk aus dem Jahr 1950
13 Uhren Muros Kollektion

Skizze einer Spielzeugdose aus einem Inserat
14 Uhren Muros Spielzeugdose
Einblicke in die Muros-Werbegrafik von 1947 bis 1957:
15 Uhren Werbegrafik


Uhrenterminage Gut

16 Uhren Gut Zeugnis Weiterbildung

Besitzer Rudolf Gut nannte seinen Betrieb „Uhrenterminage“. Gegründet hatte er ihn 1954, der Handelsregistereintrag erfolgte am 16. Mai 1960. Seine Uhrmacherlehre absolvierte er bei Erwin Triebold in der „Muros“, wo er bald als Uhrmacher-Chef und dann als Chef der Stiftankerabteilung beschäftigt war. (7) Er bildete sich auch weiter, um dann 33-jährig selbständig zu werden.

Beim Bau seines Einfamilienhauses an der Hauptstrasse im Jahr 1954 schräg gegenüber der AGON richtete er im 1. Stock sein erstes Atelier ein. Als die Familie Gut grösser wurde, erstellte er 1961 nebenan einen Werkstattbau mit gegen zehn Arbeitsplätzen. Dazu beschäftigte sein Betrieb bis acht Heimarbeitende.

17 Uhren Gut Betrieb

1 Zifferblätter in verschiedenen Grössen
2 Unruhwaage für die Kontrolle der erfolgten manuellen Anpassung der Unruh.
3 Uhrenpräzisionswerkzeug
4 Mechanisches Uhrwerk
5 Werkzeuge und Uhrenzubehör auf dem Arbeitstisch
18 Uhren Werkstücke


Als Termineur übernahm er Aufträge für grosse Firmen wie Agon und Jowissa. Es waren vor allem unbekannte Marken, die von den damaligen Uhrenhändlern meistens nach Amerika geliefert wurden. Die Auftraggeber besorgten ihm die Uhrteile wie Zeiger, Zifferblätter und Kronen, die eigentlichen Uhrwerke lieferte die Ronda in Lausen. Die Terminage erstellte Marken-Serien zwischen 1000 und 15’000 Stück. Rudolf Gut organisierte und kontrollierte die Montagearbeiten durch seine Arbeiterinnen und Arbeiter im Atelier und bei der Heimarbeit. Er hatte aber nicht für die Werbung und den Verkauf aufzukommen und vermochte trotzdem Arbeitsplätze und Verdienste zu garantieren. Das
Rechnungswesen mit Lohnauszahlungen und Buchhaltung besorgte seine Frau Margrit Gut-Brenner.


Quellen:
Mumpfer Fähri 2003
Auskünfte durch Hugo Hänggi
Auskünfte durch Veronika Lang-Gut
(1) watch-wiki.org, Uhrenhersteller unter „A*
(2) Historisches Lexikon der Schweiz/Uhrenindustrie, Version vom 11.08.2020
(3) Agon Movement – Citron Swiss Watch | Timeless Timepieces https://
timelesstimepieces.wordpress.com
(4) Aus dem dänischen Registrierungsjournal für Marken und gemeinsame Marken.
(5) Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.01.2014.
(6) Espacenet www.epo.org, Erwin Triebold eingeben.
(7) Arbeitszeugnis vom 29.12.1952 durch E. Triebold Muros, im Familienarchiv.
Fotos Uhrenterminage: Veronika Lang-Gut

Autor:
Gerhard Trottmann