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Die Zeit des zweiten Weltkrieges in Mumpf

Der Kriegsausbruch
Er erreichte die Mumpfer nicht unerwartet, beobachteten sie doch mit Befremden, was sich ennet der Grenze schon lange tat. Auch in Säckingen hisste man die Nazi-Flagge und hörte man die Führerrufe. Doch sie waren auch sehr mit der alltäglichen Arbeit auf den Feldern und in einzelnen Betrieben beschäftigt, als am 2.September die Mobilmachung für 450'000 Männer ausgerufen wurde. Augenblicklich mussten die Mumpfer die Arbeit liegen lassen, die Militärsachen packen und an ihre vorbestimmten Orte einrücken.

Zuvor, am 30. August 1939 wählte die Bundesversammlung Henri Guisan zum General. Erst mussten die Pläne für die Verteidigung erstellt werden. In aller Eile bauten die schlecht ausgerüsteten Soldaten Beobachtungs- und Verteidigungsobjekte. Die Genietruppen besassen keine Werkzeuge. Im Gemeinderatsprotokoll vom 12. April 1940 lesen wir:

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Die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln war ein grosses Problem. Alle Hausflächen, Fussballplätze, städtischen Parkanlagen wurden umgegraben, um Gemüse anzupflanzen, mehrheitlich durch Frauen und Kinder, weil ja die Männer ihren Militärdienst leisten mussten.

Die Zeitungen berichteten täglich über die Kriegsschauplätze und damit auch über das riesengrosse Leid, das für die Kinder dort entstand. Eine grosse Solidaritätswelle erfasste die Schweiz. Die Not der Kinder durch die Kriegshandlungen muss unbeschreiblich gewesen sein. Es bildete sich eine Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder. Ein Schreiben erreichte den Gemeinderat. Dazu lesen wir im Protokoll des Gemeinderates Mumpf vom 28. November 1941:

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Das tägliche Leben in Mumpf musste trotz Schwierigkeiten bewältigt werden. Grosse Schüler und alte Leute mussten in den Ställen mithelfen und in den Erntezeiten auf den Feldern mittun, Obst pflücken und sortieren, Kartoffeln ausgraben, bei den Heuarbeiten dabeizusein.

Bis zum Schluss des Krieges ergingen an die Menschen immer wieder militärische Verhaltensregeln und Anweisungen:

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Gegen Kriegsende bestand oft die Gefahr, dass sich die Alliierten im Angriff auf die deutschen Orte irrten. Mumpf blieb verschont, während andere Orte am Rhein bombardiert wurden. Noch am 23. Februar 1945 warnte das Militär die Bevölkerung vor der Fliegergefahr.

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Damit ausländische Piloten sich orientieren konnten, wurden die Hausdächer der „Sonne“ und des „Frommherzhauses“ beschrieben, bzw. mit einem Schweizerkreuz bemalt. Dies in der Hoffnung, von den Bomben verschont zu werden.

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Die Militärbauten in Mumpf
Ihre Erstellung richtete sich gegen allfällige deutsche Truppen des Hitlerregimes: Zwei Bunker am Rhein beim Anker und beim östlichen Dorfeingang, einer neben der Waldwiese sowie einer auf der Mumpferfluh. Sie wurden mit Maschinengewehren und Infanterie-Kanonen bestückt. Die Panzersperren führten von der Hauptstrasse westlich vom Anker empor Richtung Chriesiberg bis zum Buchwald und vom Fischingerbach Richtung Klostermatte und weiter, dann oberhalb vom Berghof und Wasserreservoir ebenfalls zum Buchwald.
Dazu gab es Minenkammern im Bahnviadukt, in der Hauptstrasse, in der Obermumpferstrasse und in der Bahnhofstrasse eingelassen. Diese Strassenverminung konnte durch den runden oder eckigen Verschluss erkannt werden. Bei einem Einmarsch der Hitlertruppen ins Fricktal hätten die Verkehrswege und das Bahnviadukt durch Minen zerstört werden müssen.

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Eine Militärpostkarte zeigt den Höckerbau als Panzersperre.
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Das Viadukt besass bei den beiden Pfeilern je drei 1,5m tiefe Minenkammern mit einem Querschnitt von 30 x 35 Zentimetern.


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In der Strasse nach Obermumpf waren Sprengkammern eingebaut, deren Eingangstüren von der Bachseite via Leitern und Stege zu erreichen waren.
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Sicht auf den Eingang zum Bunker unterhalb der Aussichtstelle Mumpferfluh.

Die Soldaten sind im Dorf!
Als Grenzort bevölkerten einige Truppen das Dorf. Erstens waren der Rhein und die Bewegungen auf der deutschen Seite zu überwachen. Dazu verteilten sich die Soldaten in den Häusern mit Aussicht auf den Fluss. Zwei neuralgische Standorte befanden sich in der Bachthale, wo Mineure als Sprengtechniker und Füsiliere als Bewacher ihre Stellungen bezogen: Am SBB-Viadukt und beim Wasserfall des Fischingerbaches an der Obermumpfer-Strasse.

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Der Wache-Unterstand leicht oberhalb des Bahnviaduktes.
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Ein weiterer Wache-Unterstand an der Obermumpferstrasse.

Die Gasthäuser erlebten neue Funktionen: In der „Sonne“ befand sich das Batallionsbüro sowie alle Unterkünfte des Batallionsstabes. In der Sonne erhielten die Dienstleistenden auch ihren Sold. Die Soldaten schliefen in den Sälen von „Anker“, „Adler“ und „Glocke“ und im Gartenhaus der „Schönegg“. In der Schönegg-Gaststube befand sich das Kompagnie-Büro. Die „Kiste“ oder das „Loch“, also das Arrestlokal, befand sich im Fährehäuschen neben dem Zollhäuschen.

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Pontonier-, Fähre- und Zollhäuschen nebeneinander gebaut.
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Diese Soldaten warten vor der Sonne auf die Soldverteilung

Nachts mussten die Häuser verdunkelt werden, eine einschneidende Massnahme im Dorf.

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Der Beobachtungsposten auf der Mumpferfluh verfügte über eine stets einsatzbereite Telefonverbindung zur getarnten Geschützstellung.
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Militär-Postkarte mit Blick von der Mumpferfluh Richtung Sisseln.

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In der Bachthale standen die bereits erwähnten beiden Wache-Unterstände und eine kleine Mannschaftsbaracke mit einem Gärtchen davor. Während des Bewachungsdienstes kam nun die Idee auf, wenigstens den Strom in die ärmliche Baracke zu holen. Die Soldaten wollten die fehlende Elektrizität durch ein eigenes Kraftwerk selber erzeugen. Sie leiteten vom Mühlekanal Wasser ab zu einem Wasserrad, um dann mit einem leistungsfähigen Generator den Lichtstrom zu produzieren.

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Das Kraftwerk stand über dem Mühlekanal, damit ging der Mühle kein Wasser verloren. Ein Brett kurz vor dem Wassereinfall konnte schräg abgedreht werden, um das Kraftwerk abzustellen.

Das Militär stand in engem Kontakt mit der Bevölkerung. So rekrutierten die Kommandobüros auch für die Zivilbevölkerung Hilfen. Wenn also Bauern oder Gewerbebetriebe wie Metzger oder Bäcker Hilfe brauchten, weil die Männer selber anderswo im Dienst waren, stellten die militärischen Stellen Hilfen zur Verfügung.

Soldaten waren schon immer, Uniform sei Dank, begehrte Objekte der holden Weiblichkeit. Ihre Alben füllten sich mit flotten Zeichnungen und Sprüchen, welche die Herzen höher schlagen liessen. Es entstanden sogar Eheschliessungen.

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Menschliche Tragödien
Die Mumpfer Bevölkerung wurde auch Zeuge des Flüchtlingselendes. Gar manche Flüchtende sprangen in den Rhein, um das Schweizer Ufer zu erreichen. Viele versuchten, sich am 180 Meter langen Drahtseil über den Rhein zu hangeln. Oft kamen sie im Rhein entkräftet ums Leben und wurden als Leichen angeschwemmt. Oder kaum entdeckt, wurden sie von deutscher Seite gnadenlos abgeschossen. Eines Tages befahlen die Deutschen dem Mumpfer Schmied Josef Müller, das Fährseil auf ihrer Seite zu kappen. In Säckingen gab es niemanden, der dies hätte tun können, waren doch alle deutschen Männer eingezogen in den Krieg.

Am 16. April 1945 stürzte auf dem Chriesiberg ob Mumpf ein amerikanischer Bomber B-26 ab, nachdem zuvor über deutschem Gebiet ein Motor ausfiel. Er liess die Bomben über Waldgebiet fallen und geriet durch ein deutsches Flakfeuer in Brand. Der Pilot liess fünf Mann abspringen und steuerte die unbewohnte Chriesiberg-Hochebene oberhalb der Schönegg an. Dem Piloten gelang der Absprung nicht mehr, er wurde mit dem angezogenen Fallschirm tot aufgefunden. Er bezahlte sein Vorhaben, mit der Maschine keine Menschenleben zu gefährden, mit dem Tod.

Es dauerte nicht lange, bis Soldaten von Mumpf her angefahren kamen. Sie wiesen die Zuschauer weg und sperrten das Gelände auf dem Chriesiberg ab. Trotzdem gelang es dem Mumpfer Felix Bretscher, einige 12,7-mm Patronen in seinem Hosensack zu verstecken. Sie wurden später entschärft und sind heute im Dorfmuseum Mumpf ausgestellt.

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Die Gürtel enger schnallen!
In den Zeiten des 2. Weltkrieges galt es, die Ernährung der Menschen in der Schweiz sicherzustellen durch
a) den Anbauplan: Jede Park- und Freifläche wurde zu einem Acker.
b) Rationierung lebenswichtiger Güter: Jeder Mensch erhielt pro Lebensmittel und Gebrauchsgüter eine Ration zugesprochen.

Die Rationierung im 2. Weltkrieg begann im August 1939 zuerst mit einer Bezugssperre für mehrere Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Fette und Öle sowie Zucker. Im Oktober erfolgte dann die Rationierung dieser und weiterer Produkte wie z.B. Seife. Ab 1941 wurden zwei fleischlose Tage pro Woche eingeführt.

Die weiteren Folgen:
- Fleischrationierung ab März 1942
- Milchkontingentierung ab Juli 1941
- Milchrationierung ab November 1942
- Eierrationierung ab Dezember 1941
- Regelung „grössere Portionen für Schwerarbeiter“ Juli 1942

Brot wurde ab Juli 1940 nicht mehr frisch verkauft, sondern musste einen Tag alt sein!!! Im Oktober 1942 begann die Brot-Rationierung und ab Mai 1943 wurde es bei Engpässen mit Kartoffeln gestreckt.

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Lebensmittelkarten und Lebensmittelmarken berechtigten zum Kauf der Ware, bedeuteten aber keine Preisverminderung. Sie galten noch bis 1948, also drei Jahre nach dem Kriegsende.

Der Krieg ist aus
Er dauerte ganze sieben Jahre. Wie sehr er die Menschen belastete, ist aus dem Protokoll vom 30. Dezember 1944 ersichtlich:

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Am 25. April 1945 wurde das badische Rheinufer von den französischen Truppen eingenommen und kontrolliert. Um 09.15 Uhr bot der Bürgermeister von Säckingen die kampflose Übergabe der Stadt an die Franzosen an. Alle Ortschaften der deutschen Seite wurden durch diese Truppen besetzt.

Auch die Schweizer Bevölkerung atmete auf. Die Aargauer Regierung schrieb am 4. Mai an die Gemeinden, wie der Tag des endgültigen Waffenstillstandes zu begehen sei: Nicht als Siegesfeier. Eine Beflaggung der Kirchen und Gemeindehäuser mit Schweizerfahnen sei nicht angebracht, ein Dankgottesdienst jedoch schon. Und ausländische Flaggen seien ausnahmsweise an diesem Tag geduldet.

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Im Protokoll der Mumpfer Gemeinderates ist zu lesen, dass Gemeindeschreiber Gut zuhanden der Mumpfer Einwohner eine Würdigung der Wehrhaftigkeit auch unseres Dorfes während dieser harten sieben Kriegsjahre zu verfassen habe.

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Die Soldaten kehrten heim, müde, erschöpft und geschockt. Viele Familien waren durch die Abwesenheit in der Armut gelandet. Ein jeder erhielt vom General eine Dankeskarte.

Dieser General Guisan inspizierte gegen Kriegsende die Grenze am Rhein. Der Mumpfer Bahnbeamte Johann Meyer fertigte die Durchfahrt eines sehr langsam fahrenden Zuges ab. Da gewahrte er zu seinem Erstaunen, dass der General vor ihm auf einer offenen Plattform durchfuhr, und ihm, dem Bähnler einen militärischen Gruss zuschickte.

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Auch Frau Jehle konnte 1945 von Mumpf nach Säckingen heimkehren. Ihr Mann, der Historiker Fridolin Jehle brachte sie und die Kinder von Säckingen in eine Wohnung nach Mumpf in Sicherheit vor der Nazi-Verfolgung. Sie erhielt Arbeit in der Uhrenfabrik Erwin Triebold.

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Doch die Folgen des Krieges blieben noch lange bestehen, die Not der Menschen nahm nicht ab, ja sie spitzte sich gar noch zu. Unsere Nachbarn in Säckingen wussten ihre Ernährer auf den Schlachtfeldern liegen, viele litten traumatisch und apathisch unter dem Erlebten und der grösste Feind war der Hunger. Mit Mumpf an vordersten Front begannen im Fricktal Sammelaktionen zugunsten der Nachbarn. Zur Weihnacht 1945 kamen so 740 Kleiderpakete und 1100 Esswarenpakete zusammen. Diese Aktionen wurden regelmässig wiederholt.

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In Mumpf kehrte nach sechs Jahren auf dem Rhein Normalität ein: Die Fähre nahm am 22. März 1951 nach der Genehmigung des französischen Gouverneurs in Säckingen ihre Fahrten wieder auf mit den täglichen Transporten für all diejenigen, die vom Fischingertal und Wegenstettertal zur Arbeit nach Säckingen gelangen wollten. In den ersten sieben Monaten beförderte die Fähre 7171 Personen über den Rhein!

Was der 2. Weltkrieg in Mumpf auch zurück lässt

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Bunker am Rhein unterhalb vom Gasthof „Anker“.
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Bunker am Rhein unterhalb vom Campingplatz.


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Bunker neben der Waldwiese oberhal der Bahnlinie.
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Sprengkammern in der Bahnhofstrasse.
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Panzersperren oberhalb Berghof.
 


Quellen:
- Gemeindearchiv Mumpf
- Archiv Dorfmuseum Mumpf
- Kpl. Baumann, Gfr. Brogli: Chronik des Grenzwachtpostens Mumpf
- Andreas Stalder; 1939-1945 Grenzverteidigung Grenz-Füsilier-Bataillon 244
- Vom Jura zum Schwarzwald: Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz, 2006 (S. 139 bis 146)

Autor:
Gerhard Trottmann